
Krieg in der Ukraine – ein Thema der Seminararbeit
Die vermeintliche Gewissheit eines dauerhaften Friedens ist zerbrochen. Völker in anderen Teilen der Welt wissen das schon länger, doch für viele Menschen in Europa ist diese Erfahrung neu.
Das wirkt sich auch auf unsere Arbeit im Seminar und in der Schule aus. Unter dem Eindruck der erschütternden Ereignisse der ersten Kriegstage haben wir daher das Thema „Krieg in der Ukraine“ in den Mittelpunkt unserer pädagogischen Seminare gestellt und schwerpunktmäßig die folgenden Herausforderungen und pädagogischen Handlungsfelder in der Arbeit mit Schüler*innen identifiziert:
- Umgang mit Ohnmacht
Der Angriffskrieg der Russischen Föderation auf die Ukraine betrifft uns im Seminar persönlich in unterschiedlichem Maße. Einige von uns sorgen sich um Verwandte in den eingeschlossenen Städten, andere stammen aus Gebieten, die bereits vor vielen Jahren zu Opfern russischer Expansion geworden sind. Nicht anders geht es auch zahlreichen Schüler*innen. Daher ist es wichtig, im Seminar wie auch in der Schule den Raum zu geben, um über die eigene Betroffenheit sprechen zu können.
Als Lehrkräfte müssen wir auf die Sorgen und Nöte unserer Schüler*innen eingehen und ihnen Wege aufzeigen, mit der gegenwärtigen Situation umzugehen. Es gilt, Handlungs- und Ausdrucksformen zu entwickeln, die zumindest ansatzweise geeignet sind, eigene Ohnmachtsgefühle zu überwinden. Hierzu gehört auch, Perspektiven zu eröffnen, Frieden im Kleinen zu verwirklichen.
- Umgang mit neuen Feindbildern
Als Lehrkräfte müssen wir darauf achten, dass der Krieg nicht als Vorwand zur Vorverurteilung anderer dient. Schnell werden vermeintlich missliebige Personen ausgegrenzt, um Geschlossenheit zu demonstrieren. Besondere Vorsicht ist an Schulen geboten, wo es zu Beschimpfungen von Kindern kommt, die russische Wurzeln haben oder eine Putin-freundliche Perspektive vertreten. Als Lehrkräfte müssen wir dem entgegentreten und dazu anhalten, immer auch die Position des anderen zu verstehen, selbst wenn wir dessen Haltung nicht teilen. Gerade in der aktuellen Situation gilt es, keine Feindbilder zu schaffen oder bereits vorhandene zu verstärken. Vielmehr ist angezeigt, auf der Wertgrundlage universaler Menschenrechte zu einem, soweit dies möglich ist, wechselseitigen Verständnis und einem gewaltfreien Umgang miteinander zu gelangen.
- Umgang mit medialer Repräsentation
Über soziale Medien wie Tik Tok haben Kinder und Jugendliche ungefilterten Zugang zu verstörenden Kriegsszenen, die schwer einzuordnen sind. Ganz besonders hier ist es unsere Aufgabe als Lehrkräfte, sie zu schützen und ihnen Zugänge zu seriösen Informationsgrundlagen aufzuzeigen. Dazu müssen wir keine Expertinnen und Experten in internationaler Geopolitik sein. Wichtiger ist es, durch einen medienkompetenten Umgang die Flut unterschiedlicher Nachrichten zu bewältigen und eine eigene, auch kritische Auseinandersetzung zwischen persönlicher Betroffenheit und sachlicher Betrachtung zu befördern.
Für all dies braucht es Lehrkräfte mit Empathie, sensibler Wahrnehmungsfähigkeit und einem guten Gespür für das, was in der jeweiligen Lerngruppe „gerade dran ist“!
Kaum vorstellbar,
dass Menschen ihr Zuhause, ihre Liebsten verlieren,
Ira Schneider, Referendarin aus dem ersten Semester – ganz sicher aber eine Stimme, die repräsentativ für viele unserer Auszubildenden und Ausbildenden ist
dass Babys gerade geboren werden mitten in diesem Schrecken,
dass Russen, die keinen Krieg führen wollen, dazu gezwungen werden,
dass ukrainische Männer von ihren Frauen und Kindern getrennt werden und in den Krieg ziehen müssen,
dass Menschen mitten aus ihrem Leben herausgerissen werden,
dass Menschen ihre Heimat verlassen müssen.
Vielleicht studieren einige noch oder machen eine Ausbildung.
Vielleicht haben andere gerade frisch geheiratet und waren in den Flitterwochen.
Vielleicht haben Frauen gerade erfahren, dass sie schwanger sind.
Vielleicht haben andere einfach ihren Alltag gelebt und waren mit den Höhen und Tiefen des Lebens schon genug gefordert.
Vielleicht wurden andere gerade Großeltern.
Vielleicht haben andere gerade eine schlimme Krankheit diagnostiziert bekommen.
Vielleicht haben andere kein Unterstützungssystem in Familie und Freunden und sind jetzt komplett alleine.
Vielleicht sind andere gerade in Rente und wollten ihre Ruhejahre genießen.
Und vielleicht, ja vielleicht versuchen andere gerade, genau wie wir Referendar*innen, ihren Berufseinstieg zu meistern und werden plötzlich aus allem herausgerissen.
All diese Menschen sind in unseren Köpfen!
Zwischen all dem, wo wir helfen können, aber auch in der Ohnmacht, die wir erleben, weil unsere Hilfe ihre Grenzen erreicht, sind wir in Gedanken mit den unzähligen Unschuldigen und Leidenden verbunden.
